VIDP#94 – Bayern-Blackout, Öko-Pariser und Populisten-Twitter (Populismus-Edition mit Totti)

In der vierundneunzigsten Episode unseres populistischen Medien-Podcasts „Voll in die Presse“ spüren wir Populisten in Osteuropa bis Südamerika auf, mit Zwischenstopp bei süddeutschen Naturvölkern. Dabei steht uns Totti als „Kind der Demokratie“ mit politischem Sachverstand zur Seite. Mitgebracht hat sie einen Tennis spielenden Kürbis, eine kampfeslustige Zwiebel und natürlich den einzig wahren Bunga-Bunga-Ritter. Und was haben wir eigentlich mit Barack Obama gemeinsam?

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Blackout-Panik und Agenda-Setting

Beim Populisten-Bingo sind klare Worte gefordert. Das Ziel: Nicht lange argumentieren, sondern den politischen Gegner möglichst platt diffamieren.

„Die Grünen sind das Blackout-Risiko Nummer eins.“

Markus Söder

Bei der Diskussion um die Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke liefen gerade konservative Politiker zur Hochform auf. Dass die Abschaltung bereits 2011 mit breiter Zustimmung auch von CDU/CSU beschlossen worden war, soll doch mehr als zwölf Jahre später niemanden von markigen Worten abhalten. Experten kritisieren, dass Söder selbst damals mit Rücktritt gedroht hatte, falls 2022 noch ein AKW in Bayern laufe. 

In den sozialen Medien sind markige Sprüche gut aufgehoben – gerne mit passendem Link, der die steile These belegen soll. Doch was verlinken eigentlich Populisten? In Ländern mit hohem Medienvertrauen teilen sie tendenziell Quellen aus dem Mainstream. Ebenso in wenig polarisierten Gesellschaften, weil sich eine Mobilisierung der politischen Ränder dort für sie nicht lohnt. Sind die (Rechts-) Populisten hingegen weniger in die Gesellschaft integriert, weichen ihre Lieblingsquellen von denen anderer Politiker ab. Zum Agenda Setting müssen es aber gar keine Eso-Quellen sein, denn auch im gut sortieren Mainstream-Medium kann man sich durch Beschränkung bestimmte Lieblingsthemen sehr einseitig orientieren.

Kampf-Gemüse und Populismus-Test

Zwiebelchen lebt im Gemüseland und sinnlose Regeln unterdrücken die Bevölkerung. Im Kampf gegen den Unterdrücker Don Tomate, ja gegen die Mächtigen überhaupt, setzt sich der Robin Hood der Gemüsewelt für seine Freunde ein. Die Geschichte, die Gianni Rodari 1951 schrieb, sorgte nebenher für die kommunistische Völkerverständigung zwischen Italien und Bulgarien, wie uns Totti erklärt. Wir hier unten gegen die da oben: Populismus funktioniert auch in Kinderbüchern.

„Nur Napoleon hat mehr geschafft als ich, aber ich bin definitiv größer.“ 

Tausendsassa und Politiker-Darsteller Silvio Berlusconi (war immerhin 3 cm größer als Napoleon)

In 20 Fragen zur Populismus-Selbstdiagnose: Wer sich die Mühe macht, die – wissenschaftlich durchaus fundierte – Frageliste des Schweizer Tagesanzeiger zu beantworten, erfährt gleich zwei Dinge über sich selbst: Wie empfänglich bin ich für populistische Ideen? Und bin ich eher links oder rechts eingestellt? Wir beantworten gemeinsam die Fragen und erfahren, dass wir auf diesen Spektren sehr nah an Barack Obama landen – leicht links und im populistischen Mittelfeld. Damit können wir leben und blicken grimmig nach rechts oben, wo sich Gestalten wie Salvini, Trump und Farage tummeln. 

SUV-Strafe und Sachsen-Stimmung

In Paris kostet das Parken für auswärtige Stadtpanzer, auch als SUVs bekannt, künftig dreimal so viel wie für kleinere Fahrzeuge. Im Zentrum sollen es 225 Euro für sechs Stunden parken sein. Die Maßnahme passt ins Verkehrskonzept der Stadt, das Alternativen zum (dicken) Auto begünstigt. Doch ist das noch Verkehrspolitik oder schon Populismus? Schwer zu sagen, denn immerhin ist die Erhöhung das Ergebnis einer Bürgerbefragung. Der Haken an der Sache: Wenn die Regelung nur für auswärtige Pkw gilt, fiel es wohl manchem Anwohner deutlich leichter, zuzustimmen. Und wie wir heute lernen, ist das „wir gegen die“ ein klassisches Populisten-Konzept.

Nicht nur im SUV, sondern auch auf dem Sachsen-Monitor werden die Gesichter länger. Das Stimmungsbarometer im possierlichen Freistaat zeigt, dass sich die Stimmung in der Bevölkerung verschlechtert. Allerdings offenbart sich auch ein Widerspruch. Denn während allenthalben über die Gesamtsituation gemault wird, ist doch eine Mehrheit von 63 Prozent der Befragten optimistisch, was die eigene Zukunft angeht. Die eigene wirtschaftliche Situation wird sogar noch besser bewertet. Beim Vertrauen in die Institutionen sieht es schwierig aus: Polizei und Wissenschaft genießen mehrheitlich Vertrauen – im Gegensatz zu allem, was mit Politik zu tun hat. Landesregierung: doof. Bundesregierung: doof. Politische Parteien: ganz doof. Ebenso auch die Medien. Bergauf geht es hingegen für Verschwörungstheorien. Und das ist vielleicht eine Chance für den wirtschaftlichen Aufschwung: Wir raten spätestens jetzt in die lokale Aluhut-Industrie zu investieren.

Über diesen Podcast

„Voll in die Presse“ ist der Medienspiegel-Podcast über herrlich schräge Meldungen, Berichte und Social-Media-Posts. Ob nun kurios, peinlich oder einfach nur verrückt, wir sprechen darüber. Dabei geht es nicht nur um die Meldung als solche sondern vor allem auch um die Geschichte dahinter, manchmal sogar um das große Ganze. Vieles ist auf den ersten Blick lustig, manches stimmt auf den zweiten Blick aber vielleicht auch nachdenklich. Auf jeden Fall bietet die Medienwelt unzählige Gelegenheiten für eine angeregte Unterhaltung.

Damit es dabei nicht zu trocken zugeht, gibt es parallel zum Gequatsche eine exquisite „Bottle-Party“. Das heißt konkret, jeder Mitstreiter bringt ein Getränk seiner Wahl mit zur Sendung und wir verkosten dieses während wir unsere Presse-Fundstücke diskutieren. So bekommt der Name „Voll in die Presse“ eine ganz neue Bedeutung. Aufgenommen wird das Ganze im Benanza-Bus, unserem fahrenden Ton-Studio. Das literarische Quartett besteht aus den Herren Sammer, Prollo Ferrari, Beef Rogers und dem Gastgeber Ben Cartwright.

VIDP#94 – Die Artikel

Tagesanzeiger: Wie populistisch sind Sie?
X/@vidp_podcast: VIDP macht den Populismus-Test
Bundeszentrale für politische Bildung: Was ist Populismus?
Liberties: Was ist Populismus: Definition, Merkmale, Beispiele
Fluter: Populismus: Gefahr oder Chance?
Merkur: Merz schimpft über Silvester-„Chaoten“ – Söder warnt vor Grünen als „Blackout-Risiko“
Merkur: Blackouts in Bayern? Experte verurteilt „Populismus“ in der Politik und ordnet Gefahr ein
Spiegel: Energieversorgung: »Bild«, Union und AfD, vereint in Prepperfantasien
StMWI: Aiwanger: „Die Grünen begehen politischen Trickbetrug.“
EJO: Im Mantel des Mainstreams
Süddeutsche Zeitung: Pop und Populismus: Atemlos durch die Nacht
MDR: Sachsen-Monitor offenbart miese Stimmung im Land
DW: 6-Stunden-Ticket für 225 Euro: Paris sagt SUVs den Kampf an

VIDP-Buchtipps:
Kinderbuchverlag Berlin: Zwiebelchen
Carl-Auer Verlag: Anleitung zum Populismus
Westend Verlag: Populismus für Anfänger

VIDP#94 – Die Getränke

Pastis de Marseille (Totti)
Waldi Back to McFly IPA (Beef)
Brasserie du Mont Blanc IPA (Prollo)
Hustentee (Ben)
Wasser (Sammer)