Stadion von Lech Posen bei Dämmerung
Magazin Sportplatz

Der Sonderzug von Poznań

Als Student lebte ich einige Jahre in einem kargen Bonner Studentenwohnheim mit der Anschrift Posener Weg 1. Das war bislang nahezu alles, was mich mit der polnischen Großstadt Poznań (dt. Posen, rund 550.000 Einwohner) verband. Darüber hinaus war mir von Poznań eigentlich nur noch eines bekannt. Nein, nicht der Alte Markt, mit seinen schönen bunten Altbauten. Nicht das historische Rathaus, auf dessen Turm täglich zur Mittagsstunde zwei Geißböcke ihre Hörner kreuzen. Und auch nicht die Dominsel mit dem eindrucksvollen Posener Dom. Es ist der örtliche Fußballclub, der KKS Lech Poznań.

Wunderschönes EM-Stadion

Jahrzehnte nach meinem Auszug aus besagtem Studentenwohnheim bot der jüngste Familienurlaub nun die Möglichkeit, den Heimspiel-Auftakt von Lech Poznań live im Stadion zu verfolgen. Und eben diese städtische, schlicht „Stadion Poznań“ genannte Arena ist bereits ein Highlight für sich. 1980 mit einem Spiel gegen Motor Lublin eröffnet wurde das Stadion für die Europameisterschaft 2012 stark ausgebaut und modernisiert. Seither erstrahlt sie innen wie außen in den Vereinsfarben blau und weiß und besticht durch eine sehr gefällige Architektur.

Stadion Poznań von innen (Foto: Ben Fischer / Benanza.Pix)

Als schwierig gestaltete es sich dagegen, überhaupt an Tickets zu kommen. Polnische Vereine sind aus Sicherheitsgründen verpflichtet, alle Ticketinhaber zu identifizieren. Erschwerende Faktoren waren dabei sowohl die Technik der eigentlich gut gemachten Lech-Webseite als auch der Umstand, dass man als Ausländer nun mal keine polnische ID hat. Auch der Weg zum Stadion und zu dem im Vorhinein mitgebuchten Parkplatz wäre ohne Google wohl unmöglich gewesen. Schilder sucht man leider vergeblich.

Kein teures Vergnügen

Doch hat man all das einmal erfolgreich gemeistert darf man sich für schlanke 10 Euro (40 Złoty) über beste Plätze auf der Haupttribüne freuen. Als Familie ist man sogar schon für fünf Złoty pro Kopf dabei, etwas mehr als einem Euro(!). Diesem Angebot kamen dennoch nur 16.616 Zuschauer nach; das Stadion hätte Platz für 42.837. Dank der Personalisierung erfuhr man zudem aber, dass sich unter den Anwesenden 2.785 neue und 2.536 weibliche Zuschauer befanden. Die Zahl der Gästefans wurde zwar nicht genannt, tendierte aber ganz offensichtlich gegen null, war der Gästeblock doch vollkommen leer. Scheinbar hatte niemand die Reise aus dem rund 200 km entfernten Płock angetreten oder vielleicht ja auch aus Sicherheitsgründen nicht antreten dürfen.

Fans im Stadion von Lech Posen
Choreografie der Poznań-Fans (Foto: Ben Fischer / Benanza.Pix)

Apropos Sicherheit: Leider haben sich u.a. die Poznań-Anhänger den Ruf „erarbeitet“, durchaus gewaltbereit zu sein. Daher verwunderte es mich beim Weg ins Stadion nicht, dass immer wieder an verschiedenen Stellen ohrenbetäubende Böller detonierten (quasi „Posen-Böller“ statt „Polen-Böller“). Angekündigt wurden mir auch die übelsten Beleidigungen zu hören, die die polnische Sprache zu bieten hat. Doch alles was ich mitbekam war ein je nach Spielsituation länger oder kürzer betontes „dobrze“ (gut), von drei volltätowierten Familienvätern und ihren Kids in der Reihe hinter mir. Und auch von der Lech-Fankurve (Oberrang ganz in blau, Unterrang ganz in weiß) kam das gesamte Spiel nicht anderes als lautstarke Gesänge und Sprechchöre. Großartig.

Lech Posen Fans mit Fahnen und Bannern
Auch die Fans sind „Ekstraklasa“ (Foto: Ben Fischer / Benanza.Pix)

Beim leiblichen Wohl hatte man die Wahl zwischen Hotdog und „kiełbasa“ (polnisch für Wurst), die in deutschen Stadien als „Krakauer“ über die Theke geht. Das Stadionbier kam leider nicht von der Brauerei „Lech“ sonder von „Żywiec“. Allerdings war es – jedenfalls in unserem Bereich – sowieso schon zur Halbzeit leergetrunken („nie ma piwa“). Angesichts der Null-Promille-Grenze für Autofahrer in Polen war Eistee da vermutlich ohnehin die bessere Alternative.

Flottes Spiel bringt Heimsieg

Achja, Fußball gespielt wurde natürlich auch. Und das wirklich ansehnlich. Lech Poznań ging bereits nach 13 Minuten durch einen Elfmeter gegen Wisła Płock in Führung. Fortan lieferte sich beide Teams aber einen offenen Schlagabtausch mit Aluminiumtreffern auf beiden Seiten („dobrzeee“). Schlussendlich wechselte Lech-Coach Dariusz Żuraw mit dem dänischen Nationalspieler Christian Gytkjær, der 2017 von den Münchner Löwen gekommen war, den Matchwinner ein. Er erzielte nicht nur nach sehenswerter Einzelleistung das 2-0 sondern stellte kurz vor Schluss auch den Endstand von 4-0 her. Die beiden letzten Tore fielen in der Nachspielzeit, als Lech durch eine Gelb-Rote Karte in Unterzahl spielte. Das Stadion tobte nun und überall auf den Ränge wurde getanzt, gehüpft und gesungen.

Stehende Fans im Stadion von Lech Posen
Standing Ovations der Poznań-Fans (Foto: Ben Fischer / Benanza.Pix)

Ein toller Abschluss eines unterhaltsamen Spiels und für Lech Poznań, siebenfachen polnischen Meister und fünffachen Pokalsieger, ein erfolgreicher Heimauftakt in die Ekstraklasa-Saison 2019/2020. Benannt wurde der 1922 gegründete Verein übrigens nicht nach der Brauerei Lech, sondern dem legendären Gründer Polens. Für Poznań schürten einige in der Bundesliga gut bekannte Spieler ihre Schuhe, etwa Andrzej Juskowiak, Artur Wichniarek, Piotr Reiss, Sławomir Peszko und ein gewisser Robert Lewandowski.

Maskottchen aus Stahl

Doch der größte Star steht gar nicht im, sondern vor dem Stadion. Wer einmal die Heimspielstätte des KKS Lech Poznań besucht sollte unbedingt nach der „Lech Poznań Lokomatiywa“ Ausschau halten, dem stählernen Maskottchen des Vereins. Auf dem Vorplatz des Stadions empfängt die majestätische Dampflok seit einigen Jahren die Fußballfans – top-restauriert (siehe Video). Und jetzt mal Hand aufs Herz, welcher Club hat schon seinen eigenen Sonderzug?

Das Maskottchen von Lech Posen
Die Lech Poznań Lokomotive vor dem Stadion (Foto: Ben Fischer / Benanza.Pix)

Die Poznań-Lok im Video

(Werbe-)Video der deutschen Transportfirma, die die Poznań-Lok zum Stadion transportierte.

KKS LECH POZNAN vs. ZKS WISLA PLOCK (4-0)
Stadion Poznań, 16.616 Zuschauer
LOTTO Ekstraklasa (1. Liga)
2. Spieltag, 26.07.2019, 20.30 Uhr

Torschützen:
1-0 Darko Jevtic (13. Min),
2-0 Christian Gytkjaer (72.)
3-0 Kamil Jóźwiak (90.+1)
4-0 Christian Gytkjaer (90.+3)

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