Teil II: Die Hoffnung der FC-Fans
Wenn der Kölner seine Hoffnung äußert, bringt er das gerne mit einem einzigen Satz zum Ausdruck: „Et hätt noch immer jot jejange“. Achim Beierlorzer und sein Team wären jedoch schlecht beraten, sich im Kampf um die Plätze allein auf diese im kölschen Grundgesetz verankerte Lebensweisheit zu verlassen. Die gute Nachricht für die Fans lautet kurz vor Saisonbeginn aber: Es gibt jede Menge Anlass zur Hoffnung.
Hoffnung 1: Die Neuzugänge
Armin Veh polarisiert. Diese Aussage liest man immer wieder. Der Geschäftsführer Sport sagt, was er denkt und eckt damit hier und da mächtig an. Wer aneckt, muss liefern, sonst hat man schnell keine Freunde mehr im Fußballbusiness. Und Armin Veh liefert. Auch wenn noch kein Punktspiel bestritten wurde: Die Neuzugänge machen nach der Vorbereitung durch die Bank weg den Eindruck, als wären sie allesamt Verstärkungen. Und zwar nicht nur in der Breite sondern insbesondere im Bereich des Stammpersonals. Während Jörg Schmadtke in seinen letzten Transferperioden fast nur Fahrkarten schoss – allein durch die Verpflichtung des dritten (!) Außenverteidigers von Wolfsburg (Horn) und eines unbekannten Nachwuchsspielers aus der portugiesischen zweiten Liga (Queiros) hat er 10 Millionen Euro Ablöse verbrannt – macht es den Eindruck, als würden sämtliche Neuverpflichtungen von Armin Veh, Spieler für die Startelf sein.
Dies belegte auch der Pokalfight in Wiesbaden. Die beiden Kingsleys machten auf der rechten Seite ein gutes Spiel, insbesondere „Easy“ Ehizibue konnte mit seiner Schnelligkeit manchen Fehler seiner Mitspieler ausbügeln. Birger Verstraete spielte immerhin defensiv passabel und kann sich schon freuen, mit Ellyes Skhiri in Kürze einen hochgewachsenen Strategen mit sauberem Passspiel an seiner Seite zu haben. Mit dem Tunesier ist auch die Hoffnung verbunden, das Zentrum endgültig dicht zu bekommen. Während Skhiri in Kürze wohl zweifellos die Stammelf verstärken wird, bleibt abzuwarten, ob sich Sebastiaan Bornauw gegen Rafael Chizchos durchsetzen wird.
Hoffnung 2: Die Offensive
In aller Regel ist zu lesen, der FC habe eine erstligareife Offensive, weil dort mit Terodde, Modeste und Cordoba drei Topstürmer um die Plätze im Sturm kämpfen, die entweder in der zweiten Liga zielsicher waren (Terodde 29 Treffer, Cordoba 20) oder schon in Liga Eins ihre Klasse unter Beweis gestellt haben (Modeste 25 Treffer in 2016/2017). Viel wichtiger dürfte jedoch sein, dass der 1. FC Köln das erste Mal seit Jahren aus dem Mittelfeld heraus Torgefahr aufbieten kann.
Torgefährliches Mittelfeld
Mit Louis Schaub und Dominick Drexler hat der FC zwei technisch starke offensive Mittelfeldspieler, die sowohl aus der Distanz als auch in der Box für Tore sorgen können. Trifft man Louis Schaub nach dem Training für ein Autogramm, kann man kaum glauben, dass dieser junge Kerl, der auch für Kinderriegel Werbung machen könnte, nicht nur technisch versiert und präzise sondern auch mit „Kawumm“ die Bälle aus der Distanz in den Giebel schrauben kann: So zu bestaunen beim 8-1 gegen Dresden, wo er das Tor des Monats erzielte oder zuletzt gegen Wiesbaden, wo er stark aus der Drehung trifft.
Dominik Drexler, dessen Laufwege zu Recht häufig als unorthodox bezeichnet werden, hat eher die Fähigkeit unerwartet dort im Sechzehner aufzutauchen, wo der Ball gerade hinfällt, insbesondere gern bei Standards. So hat Drexler es letzte Saison auf immerhin neun Tore gebracht. Nicht wenige trauen dem Bonner, der gleichzeitig Top-Vorbereiter der Kölner war, auch in der Ersten Liga eine wesentliche Rolle in der Kölner Offensive zu. Als wären zwei torgefährliche Mittelfeldspieler für Kölner Verhältnisse nicht genug, fängt zur Zeit auch Florian Kainz damit an, sich regelmäßig in die Torschützenliste einzutragen, zuletzt im Pokal gegen Wiesbaden mit einem herrlichen Seitfallzieher.
Neuzugänge und Nachwuchs
Nicht auszudenken, was in Müngersdorf los sein könnte, wenn auch Kingsley Schindler seine in Kiel gezeigte Torgefahr bestätigen könnte, wo er immerhin 30 Tore in 91 Spielen erzielte. Von Defensivspezialist Ellyes Skhiri sind überdies drei wunderbare Distanztreffer für Montepellier auf YouTube zu bewundern. Einen technisch starken rechten Fuß hat der Mann zweifellos. Wünschenswert und ein positives Signal an den Nachwuchs wäre es außerdem, wenn die Kölner Verantwortlichen mit Darko Churlinov auch einen Nachwuchsspieler mit starker Technik und enormer Torgefahr ab und an von der Leine ließen.
Während unter Peter Stöger die Tore überwiegend von Antony Modeste erzielt werden mussten, weil aus dem Mittelfeld nichts kam oder etwa Leo Bittencourt erst spät – für den FC zu spät – eine gewisse Torgefahr entwickelte, besteht diese Saison erheblicher Anlass zur Hoffnung, dass die Last des Toreschießens diesmal auf mehrere Schultern verteilt ist. Und damit sind nicht nur die Schultern von Cordoba, Modeste und Terodde gemeint.
Hoffnung 3: Die Spielstärke
Wenn es einen roten Faden bei der Kaderzusammenstellung von Armin Veh gibt, dann scheint es der Anspruch zu sein, jede Position in der Stammformation mit spielerisch starken Leuten zu besetzen. Vincent Koziello, Louis Schaub, Florian Kainz, Kingsley Ehizibue, Kingsley Schindler und Ellyes Skhiri sowie nicht zuletzt auch Birger Verstraete: Alle stehen für gute Ballbehandlung, für Spielstärke. Besonders spannend werden hier die Auftritte von Kingsley Ehibizue, der schon in den Trainingslagern nur schwer vom Ball zu trennen war. Was Sebastiaan Bornauw in dieser Disziplin zu bieten hat, bleibt abzuwarten. Aus Anderlecht dürfte er es jedenfalls gewohnt sein, dass spielerische Lösungen gefragt sind. Aber auch in der Planung der Innenverteidigung wird deutlich, dass Spielstärke in Köln belohnt wird. Denn hier ist der zwar kleine aber spielstarke Jorge Meré der unumstrittene Mann, um den herum die Innenverteidigung aufgebaut wird.
Weitere Neuverpflichtungen von Armin Veh aus der letzten Spielzeit gehen eher in die Breite des Kaders. Im Idealfall wird also eine spielstarke erste Elf auf dem Platz stehen. Veh möchte Fußball spielen lassen, das ist offensichtlich und das macht auch Hoffnung. Denn nur mit Kampf wird die Klasse nicht zu halten sein. Auch wenn die Spielstärke sicher nicht an die Top 8 der Liga heranreichen wird, könnte sie dennoch gegen Mannschaften auf Augenhöhe den Unterschied ausmachen.
Hoffnung 4: Offensive Standards
Antony Modeste, John Cordoba, Simon Terodde, Sebastiaan Bornauw. Sie alle stehen für enorme Kopfballstärke. Und auch Ellyes Skhiri ist mit 185 cm nicht klein. Dazu kommt die Torgefahr von Dominick Drexler bei Standards, der schon die eine oder andere Hereingabe auf engem Raum technisch anspruchsvoll veredeln konnte. Achim Beierlorzer hat schon angekündigt, dass er ein besonderes Augenmerk auf das Training von Standards legen wird. Die Spieler, um hier erfolgreich sein zu können, hat er in jedem Fall.
Hoffnung 5: Achim Beierlorzer
Der Trainer könnte das große Plus der Kölner werden. Klug, wortgewandt, fachlich kompetent und sympathisch. So kommt Achim Beierlorzer bislang rüber und auch gut bei den Kölnern an. Man kann sich vorstellen, dass der Trainer neben seiner fachlichen Kompetenz auch als leidenschaftlicher Motivator seinen Teil für eine erfolgreiche Saison beitragen kann. Denn fußballerisch hat er eine gute Truppe zusammen. Nun muss er aufpassen, dass die Truppe die in der zweiten Liga oftmals gezeigte Lethargie dauerhaft ablegt und auch „fightet“, wenn es mal spielerisch nicht läuft. Die Hoffnung, dass dies gelingen kann, ist groß. Denn Hauptmerkmal seiner Spielidee ist das aggressive und in jeder Phase des Spiels aktive Auftreten seiner Jungs. Wer hier zu passiv oder gar lethargisch auftritt, passt schon nicht zur Spielidee von Beierlorzer.
Man wünscht dem Coach, dass die Fans, das gesamte Umfeld und die Medien ruhig bleiben, wenn die Ergebnisse am Anfang nicht stimmen. Denn das der Start nicht einfach wird, steht angesichts des außerordentlich komplizierten Auftaktprogramms fest.
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