König Fußball dominiert alles und drückt alle anderen Sportarten an den sprichwörtlichen Rand. Am ersten Augustwochenende holten diese zum Gegenschlag aus und luden gebündelt zum Meisterschaftswochenende in Berlin ein. Schwimmer, Bahnradfahrer, Bogenschützen, Kanuten und Triathleten ließen sich nicht lumpen und zeigten spannenden und zugleich bodenständigen Sport jenseits des fußballerischen Wahnsinns.
Ich hatte mich für ein wahres Stiefkind entschieden und besuchte mit einigen Arbeitskollegen den historischen Kuppelsaal auf dem Olympiagelände, um den Endkämpfen der deutschen Boxmeisterschaften zuzuschauen. Die Suche nach Eintrittskarten gestaltete sich dabei ähnlich mühevoll wie bei Lech Posen, da ist noch viel Vermarktungsluft nach oben.
Boxen und „Bambule“
Der Kuppelsaal, einst Herberge der olympischen Fechtwettbewerbe, bot ein geschmackvolles Ambiente, um Deutschlands beste Faustkämpfer zu küren. Allerdings war es im Gebäude so schwül, dass der Schweiß nicht nur im Ring lief. Das Publikum erfüllte zu großen Teilen alle Klischees, die dem Boxsport zugeschrieben werden. Zwischendurch musste sogar die Polizei eingreifen und übermotiviert rangelnde Zuschauer trennen, die einen Kampf auf den Rängen nachstellen wollten („Bambule“). Die ganze Veranstaltung hatte sonst aber durchaus familiären Charakter. Am Eingang führte man ganz klassisch eine Strichliste und markierte Besucher mit einem Stempel.
Angesetzt waren neun Finalkämpfe, jeweils über drei Runden à drei Minuten. Zwei Meisterschaften wurden indes kampflos entschieden, weil der jeweilige Finalgegner verletzt war. Neu war mir, dass der Kampf trotzdem „angegongt“ wird, der verbliebene Kämpfer ein bis zwei Schläge ablässt um dann zum Sieger nach Punkten erklärt zu werden: Aber bitte.
Höhepunkte waren die Kämpfe im Fliegengewicht (bis 52 kg) mit dem Kölner Christian Goman als Champion – dort flogen die Fäuste wahrlich durch den Ring – und im Weltergewicht (bis 69 kg). In dieser Gewichtsklasse setzte sich der Berliner Lokalmatador Paul Wall in einem aufregenden Gefecht gegen den Niedersachsen Nick Bier durch. The Wall (Berliner Mauer) gegen Bier – auch namentechnisch ein echter Hingucker. Beim Schwergewichtssieg von Jonathan Fischbuch gegen Melik Bayrak wurde ich Opfer meiner schlechten Ohren und verstand bei den Anfeuerungsrufen konsequent „Willy Meyer“. Auch ein schöner Name.
Deutsche Meister und ein Ex-Weltmeister
Wo wir gerade bei großen Namen sind. Während der Sieger im Mittelgewicht noch von Henry Maske persönlich geehrt wurde, mussten die anderen Meister mit politischer B-Prominenz und Sponsoren vorlieb nehmen. „Sir Henry“ stellte sich anschließend auch noch der ARD-Sportschau zum Interview, leider konnte man das im Kuppelsaal nicht verstehen. Der Hallensprecher ließ das Publikum daher wissen, dass man die „Aufzeichnung des Interviews später live im Fernsehen“ sehen könne. Boxerische Dialektik. Insgesamt war dies ein interessanter Ausflug in eine mir fremde (Sport-)Welt. Und wer weiß, vielleicht haben Henry Maske und ich ja einen seiner Nachfolger gesehen? An großartigen Namen mangelt es jedenfalls nicht.
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