Im Frühjahr 1998 saß ich während eines Auslandssemesters in der Schweiz mit Studien-Freunden in einem lauschigen Straßencafé. Es war ein frischer, aber sonniger Tag und anstatt brav zu studieren dachten wir uns: „Wer braucht schon Hörsäle wenn einen das Treiben in Lausannes mondäner Fußgängerzone so viel mehr lehren kann?“ Und wir sollten Recht behalten. An diesem Tag kam ich zu einer Erkenntnis, die nun – über 20 Jahre später – zu diesem Blog führt. Der Anfang vom Ende (des Tages) war der Pudel-Po.
Was zum Henker hat das Hinterteil eines Pudels mit diesem Blog zu tun? Ich will es euch erzählen. Wir hockten also vor einem leckeren Café au lait, damals natürlich noch mit böser Kuhmilch, rauchten, quatschen und ließen die Blicke über die vorbeiziehenden Passanten schweifen. „Passantenspotting“ ist eine äußerst entspannende Tätigkeit, die mir schon oft zu interessanten Anekdoten verholfen hat. Wie wir da so saßen flanierte eine „feine Dame“, gehüllt in einen weißen Nerzmantel, die Fußgängerzone entlang. In der Hand hielt sie eine dünne Lederleine an deren Ende ein farblich auf den Pelzmantel abgestimmter Pudel mit Löwenschnitt ebenso anmutig wie sein Frauchen die Straße entlang stolzierte.
Vorsicht schissiger Hund!
Wie die beiden da so im Partnerlook auf uns zu schlenderten boten sie einen eindrucksvollen Beleg für die oft zitierte Symbiose zwischen Herrchen und Hund, oder in diesem Fall Frauchen und Pudel. Die Symbiose der beiden ging jedoch über das Äußerliche hinaus. Sie überboten sich auch darin, mit ebenso gelangweilter wie leicht herablassender Miene ihre Mitmenschen zu ignorieren. Die Fußgängerzone wurde fast zum Laufsteg. Doch dann kam des Pudels Po ins Spiel.
Um es auf den Punkt zum bringen: Der Hund musste kacken, und tat das dann auch direkt mal. Auf Höhe unseres Cafés machte er ungeniert den Rücken krumm und lies den Dingen freien Lauf – inmitten der Fußgängerzone. Vorbeieilende Passanten verzogen angewidert das Gesicht. Doch die Dame und ihr Pudel würdigten sie keines Blickes und verharrten in ihrer überheblichen Ignoranz. Fasziniert beobachteten wir diese skurrile Szene. Der Hund vollendete seinen formschönen Haufen und richtete sich auf. Doch was nun?
Ordnung muss sein
Erleichtert stellten wir fest, dass die Dame entgegen unserer Erwartung in ihre schicke Handtasche griff und ein Taschentuch zückte. Die Welt schien doch noch in Ordnung. Selbst feine Damen lassen keine Tretmienen ihrer Vierbeiner in Fußgängerzonen liegen. Unbeeindruckt beugte sich das verantwortungsvolle Frauchen mit dem Taschentuch in der behandschuhten Hand nach unten und … wischte ihrem Pudel den Hintern ab! Dann zückte sie ein zweites Taschentuch, wischte nach und lies beide Tücher angewidert auf den Boden fallen. Der Pudel schaute während des gesamten Wischvorgangs weiter gelangweilt in die Gegend. Ohne den Haufen eines weiteren Blickes zu würdigen setzten beide nun ihren Gang sichtbar zufrieden fort und bogen um die nächste Ecke.
Ungläubig ob des Schauspiels, das sich uns da gerade auf offener Straße geboten hatte, schauten wir uns an und lachten. Spätestens in diesem Moment wusste ich, dass es richtig gewesen war, das Café der Uni vorzuziehen. Meine Begeisterung für Alltagsgeschichten war geboren. Am Ende des Tages schreibt das Leben doch die besten Geschichten – und deshalb heißt dieser Blog nun auch so. In all den Jahre seit dieser Begebenheit sind mir noch unzählige solcher kleinen Geschichten begegnet, über die ich euch hier berichten möchte. Eigentlich muss man nur mit offenen Augen und Ohren durch das Leben gehen und gelegentlich auch mal zwischen den Zeilen lesen. Wie seht ihr das?
Am Ende des Tages…
Und was wäre eine Alltagsgeschichte ohne persönliches Fazit. Was also ist die Moral von der Geschichte? Ich würde es in Bezug auf unsere feine Dame mal so sagen: Am Ende des Tages ist der Pudel-Po wichtiger als der Passanten-Schuh. In diesem Sinne, bis zur nächsten Geschichte von „Am Ende des Tages“.
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